Forst & Technik, Ausgabe März 2025
Der brandaktuelle Exoskelett-Test für Forstprofis.
Dieser Bericht hat uns mal wieder in die Schweiz geführt, nach Ermatingen am Bodensee. Dort haben wir die Mannschaft von Forst Ermatingen getroffen, die bereits seit einiger Zeit die Exoskelette von Auxivo getestet hat. Wir haben gehört, was sie zu erzählen hatten und uns die Exoskelette im Einsatz angeschaut.
Exo was? Exoskelette sind Gestelle, die den menschlichen Körper bei bestimmten Bewegungen unterstützen – vor allem bei solchen, die besonders ermüdend oder sogar körperschädigend sind. Sie können die Bewegungen aktiv mit Motoren unterstützen, die meisten sind aber passiv und funktionieren mit Federkraft.
Ihre größte Verbreitung haben Exoskelette in der Industrie und in der Logistik. Denn hier treten auch die genannten ermüdenden und gesundheitsschädlichen Bewegungen am häufigsten auf. Man denke etwa an die Gepäckabfertigung an Flughäfen, an Logistikzentren, in denen Jeden Tag Tausende von Paketen bewegt werden müssen oder an den Stahlbau, bei dem oft schwere Teile in Vorhalte zu fixieren sind, etwa beim Schweißen oder Kanten.
Hier hat auch die Schweizer Firma Auxivo ihre Anfänge. Hervorgegangen ist sie aus einem Forschungsprojekt der ETH Zürich aus dem Jahr 2016/17. 2019 wurde die Auxivo AG als Spin-off der ETH Zürich gegründet. Erster Kunde war der Flughafen Zürich.
Auch im Wald
Aber auch im Wald gibt es Tätigkeiten, die den Rücken, die Arme oder die Beine stark beanspruchen, zum Beispiel manuelle Pflanzarbeiten, bei denen man ständig zwischen stehender und gebückter Haltung wechselt. In der Forst & Technik 12/2022 haben wir bereits eine Untersuchung zu einem Exoskelett von der Firma Otto Bock veröffentlicht, die der Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft und Verfahrenstechnologie an der Universität Göttingen durchgeführt hat.
Da zum Zeitpunkt unserer Vorführung Anfang Februar leider noch keine Pflanzsaison war, mussten wir uns auf andere Arbeiten verlegen. Aber auch beim Entasten von Baumstämmen oder beim Fällen von Bäumen wird viel in gebückter Haltung gearbeitet. Dabei kann ein Exoskelett besonders den Rücken entlasten.
Mariano Collidoro, Head of Marketing bei Auxivo stellt klar: „Ein Exoskelett dient nicht der Verbesserung der Performance. "Ihr kommt damit nicht von 100 auf 200 %“ Julian Klemenz, Geschäftsführer der Firma RG Arbeitsschutz, die die Auxivo Exoskelette in Deutschland vertreibt, ergänzt: „Im Mittelpunkt steht bei Exoskeletten die Erhaltung der Arbeitskraft und der Gesundheit der Mitarbeiter.“

Neue Ausstattung
An diesem Tag hat Julian Klemenz Geschenke dabei: Forstwart Dominik Tschanz, den das Team um Revierförster und Betriebsleiter Sebastian Bänteli auserkoren hat, die Exoskelette vorzuführen, wird für die Vorführung neu eingekleidet – mit Sicherheitsbekleidung, die bei RG Arbeitsschutz im Katalog zu finden ist. Hose und RegenHoodie, beide in leuchtendem orange, kommen von Arbortec, Dominiks neue Forststiefel von Haix. „Wir sind Händler der ersten Stunde für Haix“, erzählt Julian Klemenz. Dazu erhält Dominik Tschanz einen neuen Forsthelm von Grünholz. Die Marke wird von der oberfränkischen Lamm GmbH, ansonsten für Seile bekannt, vertrieben. Die Helme kommen vom britischen Hersteller JSP. Das Besondere an dem Helm: Die Vorderpartie ist transparent und erlaubt den Blick nach oben. „Einen herunterfallenden Ast seht ihr so vielleicht eine Sekunde eher“, erklärt Julian Klemenz das Design. Zudem hat der Helm eine Schutzbrille aus Plexiglas, die die Augen zusätzlich schützt und für Brillenträger wie Dominik verwendbar ist.
Nun zum Wichtigsten, dem Exoskelett. Getestet haben die Mitarbeiter von Sebastian Bänteli vor allen das „Liftsuit“. Dieses Gerät „Skelett“ zu nennen ist ein wenig irreführend, denn es hat praktisch keine knochenartigen Strukturen. Nichts ist hart, wenn man einmal von den Verschlussclips absieht. Das Liftsuit besteht fast komplett aus Textilien. Das bringt einen großen Vorteil mit sich: „Man merkt gar nicht, dass man das Ding anhat“, so das einhellige Urteil der Tester. Oder in der Kurzfassung: „Es stört nicht.“ Das heißt, es hat keine Teile, die hervorstehen und dadurch den natürlichen Bewegungsablauf stören.
Wie der Name andeutet, dient das Exoskelett der Entlastung des Rückens bei Hebearbeiten oder bei Tätigkeiten in gebückter Haltung. Die wirksamen Teile des Liftsuits sind zwei elastische CorduraTextilstreifen auf dem Rücken des Geräts. Sie spannen sich, sobald der Träger oder die Trägerin eine gebückte Haltung einnimmt, und entspannen sich wieder beim Aufrichten. Auf diese Weise wird die Rückenmuskulatur sowohl bei der Abwärts als auch bei der Aufwärtsbewegung entlastet.
Einfach zu Handhaben
Das Anlegen des Liftsuits ist denkbar einfach: Es wird wie ein Rucksack auf die Schultern gehängt, dann werden die Verschlussclips des Brust und des Bauchgurts sowie der beiden Oberschenkelgurte geschlossen. Danach folgt die Feinarbeit: Mit den entsprechenden Stellgurten wird das Exoskelett auf die Maße des Trägers oder der Trägerin justiert. Das ist nur einmal nötig, danach passt das Gerät jedesmal, wenn man es wieder anzieht. Klemenz und Collidoro betonen: „Das Liftsuit ist so konzipiert, dass es immer von der gleichen Person getragen wird.“
Mit zwei Laschen vorn auf Schulterhöhe lässt sich das Liftsuit aktivieren und deaktivieren. Werden sie angezogen, ist das Rückenteil gespannt und die Unterstützung bei der Arbeit aktiv. Lockert man sie wieder, so entspannt sich das Rückenteil und der Träger kann sich hinsetzen, um zwischendurch etwa eine Forstmaschine zu fahren oder einfach Pause zu machen. Das Exoskelett muss dafür nicht abgenommen werden.




Wirkt das Exoskelett?
Wie beurteilen die Tester die Wirksamkeit des Geräts? Hier schwanken die Angaben zur Wirksamkeit zwischen „besser“ und „gleichbleibend“ bei der Frage, wie sie ihre Tätigkeit mit dem Exoskelett im Vergleich zur gleichen Tätigkeit ohne Exoskelett empfinden. Das heißt, der Nutzen des Exoskeletts wird nicht für jeden Anwender sofort spürbar. Wer ohnehin gut mit Muskeln ausgestattet ist, wird möglicherweise keinen großen Unterschied spüren und man kann davon ausgehen, dass die Probanden vom Forstbetrieb Ermatingen überdurchschnittlich fit sind.
Beim Blick in das ExoskelettTagebuch fällt auf, dass es offenbar Schwierigkeiten gibt, das Gerät optimal einzustellen. So gab es Unbequemlichkeiten etwa beim Sitzen im Schlepper oder einer Forstmaschine. Oder die Beingurte waren zu eng. Beides ließe sich bei richtiger Anwendung abstellen. „Deshalb ist eine detaillierte Einweisung in ein solches Gerät enorm wichtig“, sagt Mariano Collidoro. „Jeder muss danach in der Lage sein, sich sein Exoskelett perfekt einzustellen.“
In der Praxis
Jetzt geht es hinaus in den Wald. Wir wollen das Liftsuit im Einsatz sehen. Die Mannschaft um Sebastian Bänteli fällt Tannen in einem Privatwald, um Licht für die nachkommende Verjüngung zu machen. Als wir ankommen, ist ein Baum bereits fertig gefällt und bereit zu Entasten. Hierbei müssen die Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter immer wieder eine gebückte Haltung einnehmen, insbesondere wenn Äste im unteren Bereich des liegenden Stammes entfernt werden müssen. Bevor es losgeht, überprüft Julian Klemenz noch einmal den Sitz des Exoskeletts. Passt alles? Klemmt etwas? – Nein, sagt Dominik Tschanz, alles passt. Dann macht er sich ans Werk. Als erstes muss er die Motorsäge betanken. Bereits hier erweist sich das Liftsuit als nützlich, denn im Wald gibt es keine Werkbank. Er muss auf den Boden, in die Hocke. Dabei spannt sich das Rückenteil des Liftsuits und erleichtert ihm die Abwärtsbewegung ebenso wie das Aufstehen.
Entasten, Kappen, Fällen
Dann geht es an den Stamm. Die Motorsäge muss er dabei zumindest teilweise in Vorhalte tragen. Für solche Haltungen mit einem Gewicht, das vor dem Körper getragen werden muss, sind Exoskelette schwerpunktmäßig entwickelt worden, wiewohl solche stereotypen Bewegungen bei der Waldarbeit glücklicherweise nicht besonders häufig vorkommen. Dann geht es ans eigentliche Entasten. Und tatsächlich: Immer wenn Dominik runter muss, um einen tiefsitzenden Ast abzutrennen, spannen sich die Gurte auf dem Rücken. Als er damit fertig ist, braucht der Stammfuß der Tanne noch einen Säuberungsschnitt. Der Waldbart muss ab, damit man die Stirnfläche des Stammes gut sieht. Auch dafür muss Dominik in Bodennähe arbeiten, sich also nach vorn beugen. Auch dabei entlastet ihn das Liftsuit.
Als nächstes ist eine starke Esche an der Reihe, die Sebastian Bänteli markiert hat. Hier muss Dominik Tschanz den Fallkerb anlegen, einen Kastenschnitt machen und anschließend die Fällung durchführen. Immer wieder muss er sich dafür vorbeugen und wieder aufrichten und jede einzelne dieser Bewegungen wird von dem Exoskelett unterstützt. Nun ist Dominik ein junger, fitter Mann, der möglicherweise die Unterstützung eines solchen Geräts überhaupt nicht wahrnimmt, obwohl er einer derjenigen war, die diese Frage im Testprotokoll mit „Ja“ beantwortet haben.
Um nicht nur auf subjektive Eindrücke angweisen zu sein, hat die ETH Zürich in einer Studie die Unterstützungsleistung des Exoskeletts beziffert. Es ging dabei um die Entlastung durch das LiftSuit Rücken-Exoskelett bei der Arbeit in nach vorne geneigter Haltung und beim Heben von Gegenständen.
Messdaten
Dabei wurden Daten zur Muskelbelastung, zur Muskelermüdung, zur Herz-Kreislauf-Belastung und zu Ergonomie und Komfort gemessen und ausgewertet. Die maximale Muskelaktivität im unteren Rücken wurde beim Heben von 6 kg, das entspricht ungefähr dem Gewicht einer mittelgroßen Motorsäge, durch das Exoskelett um 21% reduziert. Dadurch ermüden die Muskeln weniger schnell. Bei der Rückenmuskulatur verringerte sich die Ermüdung um 10%, bei der Hüftmuskulatur waren es sogar 44%. Der verringerte Sauerstoffbedarf der Muskeln reduzierte die Herzbelastung um 7%. Hinsichtlich Ergonomie und Komfort war ein wichtiges Ergebnis, dass die Teilnehmer der Untersuchung beim Heben von Lasten Hüft- und Kniewinkel gegenüber der Tätigkeit ohne Exoskelett nicht veränderten.
Das deute darauf hin, so die Forscher, dass die Teilnehmer beim Tragen des Geräts ergonomische Hebebewegungen ausführten. Das wiederum deckt sich mit den Angaben des Teams Forst Ermatingen, deren Kurzfassung lautete: „Es stört nicht.“ In der Industrie und Logistik wie auch im Wald gibt es nicht nur Tätigkeiten in Bodennähe, sondern auch solche, für die in die Höhe gearbeitet werden muss. Dass sind außerhalb des Waldes klassischerweise das Arbeiten mit Elektrowerkzeugen oder Stapelarbeiten über Kopf.
Entlastung auch für die Arme
Im Wald fällt einem sofort die Wertastung von Bäumen ein. Wenn man dabei nicht mit einer Distelleiter, sondern mit einer Astungssäge am Gestänge arbeitet, wie auf unserem großen Bild am Anfang zu sehen, tun einem allein schon beim Anblick des Bildes die Arme weh.
Für solche Einsatzzwecke hat Auxivo das Modell Omnisuit im Angebot. Der Grundaufbau gleicht dem Liftsuit, ist aber um ein Schultergestell aus Aluminium und Kunststoff ergänzt, das die Schultern entlastet und gleichzeitig Oberarme stützt. Das Unterstützungssystem besteht dabei aus zwei elastischen Energiespeicher-Einheiten, die die Schwerkraft kompensieren und Energierückgewinnung für Rücken und Schultern bieten. In der größeren Größe L-XL wiegt das Gerät zudem lediglich 3 kg.
Weniger Beschwerden
Auch zum Omnisuit bietet die Untersuchung der ETH entsprechende Messwerte. So reduzierte das Schultermodul die Ermüdung der Schultermuskulatur um 45%, die des Oberarms um 60 % und die des Nackens um 75%, während ein Elektrowerkzeug über dem Kopf gehalten wurde. Das entspricht nicht exakt den im Wald üblichen Tätigkeiten, kommt aber der Wertastung einigermaßen nahe.
Die Arbeitsherzfrequenz wurde bei Benutzung des Schultermoduls um 15% reduziert. Und vielleicht für viele das Wichtigste: Das Schultermodul reduzierte die Beschwerden in Schulter, Nacken und Oberarm bei Überkopfarbeit.
An später denken
Die Ergebnisse legen nahe, dass Exoskelette, gleich welchen Herstellers, Menschen die Arbeit erleichtern, indem sie körperliche Belastungen reduzieren. Dies nur mit Blick auf die tägliche Arbeit zu denken, ist aber zu kurz gedacht, sagt Julian Klemenz.
Denn in der Konsequenz dienen sie der Gesunderhaltung des Personals. „25 % der Lohnausfallkosten von durchschnittlich 330 €/Tag sind auf Muskel- und Skelettursachen zurückzuführen“, zitiert er aus dem Bericht einer Versicherung. Pro Diagnose stehen 22 Ausfalltage zu Buche. 8 % Krankenstand in einem Unternehmen mit 500 Mitarbeitern entsprechen 10 040 Tagen im Jahr, rechnet er vor.
„Exoskelette müssen als Teil der Gesundheits-vorsorge von Unternehmen für ihre Mitarbeitenden gedacht werden“, sagt er im Gespräch. Das könne zum Beispiel ein Pluspunkt bei der Entscheidung sein, in einem Unternehmen anzufangen. Aber wie die Zahlen oben zeigen, sind Gesundheitsmaßnahmen für Unternehmen vor allem eine
Investition in die Zukunft.
Marc Kubatta-Große
Mit freundlicher Genehmigung der Forst & Technik – veröffentlicht in der März 2025-Ausgabe.
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